2025 09.28. Little Bighorn

Denke, dass bei einigen Lesern meines Blogs irgendwas in Erinnerung gerufen wird. Little Bighorn, kommt einigen von uns doch bekannt vor. Der Besuch dieses Schlachtfeldes war auch einer der Gründe der momentaner Reise. Sugi sah erst die Reise quer durch Kanada mit dem Abstecher nach Alaska, Endstation Vancouver. Wenn wir schon an der Pazifikküste in Nordamerika sind dache sie auch an einen Besuch iher Verwandten in Los Angeles. Ich könne ja etwas eigenes unternehmen. Da dachte ich an einen Besuch des Schlachtfeldes am Little Bighorn und da Yellowstone nicht weit davon entfernt, wünschte ich natürlich auch diesen Nationalpark zu sehen. Als ich Yellowstone erwähnte, wollte Sugi natürlich auch mit und so entstanden unsere Reisepläne.

Heute war es soweit, Sugi, Sohn Christoph und ich fuhren am späteren Morgen von Billings zur Crow Agency, wo das Schlachtfeld am Little Bighorn liegt. Zur Zeit ist es nur über die Wochenenden geöffnet, da zum 150 Jahre Jubiläum nächstes Jahr ein neues Besucherzentrum gebaut wird.

Am 25. Juni 1876 nachmittags um 16h fand die Schlacht am Little Bighorn River statt, ein Gefecht bei welchem die Indianer einen überlegenen Sieg über die 7th. US – Kavallerie, geführt von General Custer, erkämpften und ihn doch nicht nutzten. Schon als Jugendlicher hatte ich von dieser berühmten Schlacht gelesen, liebte ich doch Abenteuergeschichten. In der Schulbibliothek konnten wir uns Bücher von Ernie Hearting ausleihen, in welchen die Lebensgeschichten berühmter Indianerführer wie Rote Wolke und Sitting Bull beschrieben wurden. Damals war mir der Verlauf dieses Gefechtes etwas rätselhaft, ich konnte die Reihenfolge der Ereignisse nicht richtig nachvollziehen. Zudem dachte ich, dass die ganze 7th. US – Kavallerie bis zum letzten Mann damals getötet wurde. Dass dem nicht so war, erfuhr ich erst im reiferen Alter, als ich verschiedene Bücher über die Geschichte der indigenen Völker in Nordamerika sowie neuere Schilderungen der Schlacht am Little Bighorn las. Little Bighorn ist ja ein Fluss und hat nichts mit einem Berg zu tun.

Während meiner verschiedenen Besuche in den USA kam ich erstmals 2015 in ein Gebiet, welches früher dem legendären Wilden Westen zugeteilt war. Rapid City liegt in Nähe der Black Hills, einer heiligen Gegend verschiedener Stämme der Ureinwohner. Auch besuchte ich damals den Custer State Park am Fuss der Black Hills, wo ich meine ersten frei herumstreifenden Bisons sah. Doch der Zusammenhang zwischen dem Namen dieses Parks und der Schlacht am Little Bighorn erschloss sich mir zu der Zeit noch nicht, liegt doch eine grössere Distanz zwischen dem Park und dem Schlachtfeld. Erst musste ich mich nochmals durch verschiedene Bücher arbeiten, bis ich den Ablauf der ganzen Geschichte einigermassen verstehen konnte. Erst jetzt wurde mir klar, dass bei der Schlacht am Little Bighorn ein Teil der 7th. Kavallerie auf einem Hügel, dem Snipper Hill, überlebten. Auch sah ich erstmals Skizzen, wie sich die verschiedenen beteiligten Kampfgruppen bewegt hatten. Mein Interesse, dieses tragische Schlachtfeld doch einmal zu besuchen, erwachte.

Die «Vernichtung» der 7. Kavallerie war für die junge Nation USA, welche in jenem Jahr (1876) ihr 100 – jähriges Jubiläum feierte, ein Schock. Von den total 595 Soldaten, welche die 7. Kavallerie damals umfasste, kamen 264 Mann ums Leben (14 Offiziere, 247 Soldaten, 3 Scouts). Zusätzlich verloren 5 Zivilisten (Zeitungsreporter) ihr Leben. Unter den toten Soldaten waren 131 Deutsche und 7 Schweizer. Gesamt waren 43 % der eingesetzten Kavalleristen europäische Einwanderer. Berühmt ist die Geschichte des italienischen Trompeters Martini, welcher von Custer mit einem Hilfegesuch an Mayor Benteen gesandt wurde. Da Martini mangelhaft Englisch sprach, wurde der Befehl schriftlich auf einen Zettel geschrieben. Martini schaffte den Rückweg zu Custer mit einer Antwort Benteens nicht mehr. Er wurde mit Benteen, Reno und 350 anderen Soldaten auf dem «Snipper Hill» eingekesselt und von den Indianern 36 Stunden lang belagert. Warum die Indianer den «Snipper Hill» nicht stürmten, ist mir ein Rätsel. Immerhin bewarfen sie die eingekesselten Soldaten sogar mit Steinen und waren doch in der Überzahl. Doch auf dem Snipper Hill war ja auch der Tross mit der Reservemunition der 7. Kavallerie eingeschlossen. Verschiedene Indianer besassen jedoch bessere Gewehre wie die Kavalleristen. Einigen Kavalleristen gelang es, nachts durch den Belagerungsring zu schleichen und Wasser aus dem Fluss Little Bighorn zu beschaffen. Damit linderten sie etwas den Durst ihrer Kameraden auf dem trockenen Hügel, es soll ja sehr warmes Wetter gewesen sein. Als die Indianer feststellten, dass noch mehr weisse Soldaten im Anmarsch waren, brachen sie ihr Lager ab und zogen gruppenweise davon.

Die Indianer hatten massiv weniger Verluste, man schätzt die Zahl zwischen 36 und 200 toten Kriegern. Genaue Angaben gibt es nicht. Das Gefecht soll nicht einmal 2 Stunden gedauert haben.

Über die Anzahl der versammelten Indianer können nur Mutmassungen angenommen werden. Man schätzt, dass ca. 6’000 Personen im Lager versammelt waren. Davon waren 950 – 1’200 Krieger, der Rest Frauen, Kinder und alte Leute. In all den Berichten, welche ich über das Gefecht besitze, sind die Zahlen recht unterschiedlich.

Allein die Tatsache, dass die Indianer einen so grossen Sieg über die US – Army errang, ist erstaunlich. Die Weissen waren gewohnt, gedrillt in Formationen zu kämpfen mit klarer Befehls – Hierarchie. Dieses Vorgehen war in der Regel recht erfolgreich auch gegen grössere Ansammlungen gegnerischer indigener Krieger. Bei den Indianern gab es nie eine solch strenge Befehlshierarchie, sie waren Individualisten. Ein jeder suchte möglichst viele Punkte für sein persönliches Ansehen zu sammeln. Jeder versuchte nach Möglichkeit den Feind zu berühren und zu verletzen, das erhöhte sein Ansehen in der indigenen Gesellschaft. Die männlichen Indianer waren ja erstaunlich eitel und putzsüchtig, man lese nur die Reiseschilderungen früherer Reisender (Prinz zu Wied, Catlin) und betrachte die damaligen Gemäldeportraits  (Bodmer, Catlin).

Grund zu diesem Feldzug der US – Army war, dass man alle frei herumstreifenden Indianer in Reservate zwingen wollte. Die Stämme in der Prärie waren gewohnt, zur Jagt den Büffeln nachzuziehen, bevor sie in ihre Winterquartiere zogen. Auch die Indianer besassen Dörfer, welche sie regelmässig bewohnten und wo auch etwas Landwirtschaft betrieben wurde, jedoch nicht in dem Ausmass wie bei den weissen Siedlern. Im europäischen Alpenraum wurde vergleichbar mit dem Dorf im Tal (Winter), dem Maiensäss (Frühsommer) und der Alpwirtschaft (Sommer) ein ähnliches System betrieben. Da immer mehr Europäer nach Amerika kamen, beanspruchten sie auch immer mehr Land. Das den Ureinwohnern vertraglich zugesicherte Land wurde zusehends verkleinert, schriftliche Verträge waren in kurzer Zeit nicht mehr gültig. Goldfunde in vertraglich zugesagten Gebieten beschleunigten die «Landenteignungen». Auch das Abschlachten der grossen Büffelherden bezweckte unter anderem, den umherziehenden Indianern ihre Lebensgrundlage zu entziehen und sie in Reservate zu zwingen.

Dass dieses Gefecht so berühmt wurde, verdankt man hauptsächlich zwei Personen. Einmal Custers Witwe Elisabeth, welche ursprünglich mit ihrem verstorbenen Mann ehrgeizige Pläne hegte. Das Ehepaar strebte gemeinsam die Präsidentschaft der USA an, was sich mit dem Tod des Generals zerschlug. General Custer war für sein ungestümes Vorgehen bei Militäraktionen berühmt und nicht überall sehr beliebt. Custer war bekannt, Anordnungen nach eigenem Gusto auszulegen und wurde dafür auch karrieremässig abgestraft. Custers Militärkarriere begann im amerikanischen Bürgerkrieg, wo er durch unkonventionelle Aktionen wie auch nicht armeekonforme Kleidung auffiel. So trug General Custer oft ein leuchtend rotes Halstuch, damit er von seinen Leuten immer in den Gefechten erkannt werden konnte. Die Witwe tat nun alles, das Vorgehen ihres verstorbenen Mannes zu rechtfertigen. Unterstützung fand sie im Schriftsteller F. Wittaker, welcher in einen Groschenroman der Vorkommnisse am Little Bighorn verherrlichte. Auch William «Bill» Cody, der berühmte Buffalo Bill nahm das Ereignis vom Little Bighorn in seine Wild West Show auf und präsentierte ehemalige Beteiligte der Schlacht (unter anderen Häuptling Sitting Bull), auch in Europa.

Den Indianern war die 7th. Kavallerie unter General Custer wohl bekannt, überfiel er doch am 27. Nov. 1868 im Morgengrauen bei Washita (Oklahoma) ein friedliches Lager der Cheyenne, was von der indigenen Bevölkerung nicht vergessen wurde. Auch sein Bruder Tom Custer hatte sich den Hass des Indianerhäuptling Rain in the face anlässlich eines anderen Zwischenfalls zugezogen, welcher geschworen hatte, das Herz seines Feindes zu essen. Bei diesem Feldzug waren einige Mitglieder der Familie Custers dabei, alle kamen bei diesem kurzen Gefecht ums Leben. Für einige Offiziere war der Feldzug eher als Jagdausflug gedacht, man war sehr siegesgewiss. Man verzichtete ausdrücklich auf die Mitnahme von Cattlin (Trommel) – Maschinengewehren, da sie Custer zu schwerfällig waren. Custer hatte auch Anweisung, nicht allein loszuschlagen, im Prinzip hätte er auf die Truppen des Oberst Gibbon warten müssen. Man wollte das Problem der frei herumschweifenden Indianern endgültig lösen.

Wichtig zu wissen ist zudem, dass genau dieselben Indianer nur 8 Tage früher ein Unentschieden bei einer Schlacht (Rosebud, 17. Juni 1876, Sioux unter Crazy Horse gegen General Crook) errungen hatten. Schon damals zogen sich die Indianer überraschend zurück, doch auch die US – Army setzte ihren Vormarsch kurzfristig nicht fort, sie zogen sich ins Fort Fettermann zurück um später erneut auszurücken.

Die Leichen der Getöteten wurden mehrheitlich verstümmelt und geplündert. Das war nicht nur das Werk der beteiligten Krieger, den Rest besorgten die rachesüchtigen Frauen des grossen Lagers. Leider war dieses Vorgehen nicht nur den Indianern vorbehalten, die weissen Kavalleristen verhielten sich bei ihren Siegen leider genauso. Wenn jedoch zwei Personen das Gleiche tun, ist es doch niemals dasselbe.  

Das Schlachtfeld wurde sehr rege besucht, man hatte oft Mühe an einzelnen Stellen einen Parkplatz zu finden. Es waren alles weisse Amerikaner, welche sich schweigend von Tafel zu Tafel durcharbeiteten. Doch auf dem „Snipperhill“ stand auch ich ratlos da. Es war kein eigentlicher Hügel, das Gelände relativ flach. Die Offiziere Reno und Benteen wurden ja später wegen mangelnder Bereitschaft, General Custer zu Hilfe zu eilen, verurteilt. Als ich jedoch das Gelände sah, wo sich diese beiden Offiziere mit ihren Truppen verschanzt hatten, wo sogar ein Feldlazaret existierte, da wuchs mein Respekt vor diesen Offizieren. Da gab es beinahe keine Deckung, das war ja nicht einmal ein richtiger Hügel. Die Organisation dieser Verteidigung war für mich militärische Massarbeit, doch ich war ja immer ein einfacher Soldat, der zu Schweigen und zu Gehorchen hatte.

Nach dem Besuch des Schlachtfeldes, welches bei der Besichtigung auch für meine Begleitung plötzlich interessant wurde, fuhren wir Richtung Billings zu den Pictograms Caves, Höhlen mit Felsmalereinen indigener Bevölkerung. Schon die Fahrt abseits der Autobahn durch das ländliche Montana war ein spezielles Erlebnis. Die Gegend besteht aus vielen Sandsteinhügeln, welche richtige Felswände haben können. Die Felswände sind nicht recht hoch, schätze zwischen 100 und 250 Metern in etwa. Doch es gibt auch richtige Bergsturzgebiete mit Trümmerfeldern. Wirklich schön. Bei den Höhlen hatten wir etwas Mühe, die verblassten Bilder zu finden.

Am späteren Nachmittag fuhren wir zum Hotel zurück. Christoph ist noch müde von der Zeitumstellung und der langen Reise, ich bin noch angeschlagen und erkältet von Alaska. Morgen kommt noch nichte Jane aus L.A. und wir übernehmen den Camper (Wohnmobil). Das Abenteuer geht erst richtig los.

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